In der Welt von Wein und Wollschwein

Bühnenreifer Auftritt: Die energieautarke Kellerei der Familie Krispel fügt sich nahtlos ins Vulkanland ein.

Stefan Krispel dreht das Glas in der Hand. Sattgelb leuchtet der junge Grauburgunder und wirft mit jeder Bewegung goldene Sprenkel an die Wand. Er duftet zart nach Apfel und Nelken. „2023 war ein forderndes Jahr“, sagt der Winzer. „Passend zur Zeit, zu den globalen Herausforderungen.“ Nahezu das ganze Weinjahr war geprägt von Regen. Wer biologisch arbeitet, braucht gute Nerven. Und gute Mitarbeiter. Im späten August dann das Aufatmen, die rettende Sonne, ein goldener Herbst. Wenn es beim Wein eine Konstante gibt, dann ist es wohl die Unberechenbarkeit des Wetters. Auf dem Weingut der Familie Krispel in Hof bei Straden weiß man, damit umzugehen. Mit der Witterung, dem Boden, dem Mikroklima der einzelnen Rieden machte sich Stefan Krispel schon sein ganzes Leben lang vertraut. 2010 stieg er als einst jüngster Weinbaumeister in den Betrieb ein. Mit 18 Jahren verantwortete er bereits die erste Ernte. Die Rebstöcke seiner Lagen im Vulkanland schlagen ihre Wurzeln in Rotlehm und Basaltgestein. Das spiegelt sich auch in den wunderbar eleganten, mineralisch schlanken Weinen wider. Die Lage Rosenberg hat den höchsten Kalkanteil in der Hangmitte, der Neusetzberg mit bis zu fünf Metern die höchste Schicht Basalt.

Rund um den Wein und das zweite Standbein des Betriebs, das Wollschwein, wurden jahrelang Pläne geschmiedet, reiften heran, wie der Wein und der Wollschweinspeck. Es wurden Ideen gewälzt, wieder verworfen. Es wurde groß geträumt und reiflich erwogen. Dann ging alles ganz schnell. 2021 baute der Winzer den Betrieb vollständig um.

Was früher Buschenschank war, wurde in Restaurant und KostBar aufgefächert oder – besser – in genussvoller Breite ausgerollt, so dass man sich jetzt von der Schinkenplatte über ein eigenhändig zubereitetes Steak von Vater Toni Krispel, bis zum Haubenmenü durchkosten und aus einer der wohl spannendsten Weinkarten des Landes mit 550 Posten wählen kann. Warum es so viele sind? „Wir machen immer wieder Verkostungen für uns selbst. Wenn man nicht über den Glasrand hinausschaut, hat man keinen Vergleich zur eigenen Arbeit“, sagt Stefan Krispel.

In weichen Wellen umrahmt nun Lärchenholz den Innenhof wie ein Vorhang und macht ihn zur Bühne, gleichzeitig aber so gemütlich, wie einen sichtgeschützten Wohnraum im Freien. Kurz: Die Vorstellung zum „Genusstheater“ ist seit 2021 eröffnet. Stück um Stück wird der Gast seither in die Inszenierung mit eingebunden, in die Welt von Wein und Wollschwein eingeweiht. Die Arbeit in der Küche ist einsehbar, der Speckreiferaum mit tonnenschweren Basalttrögen für den zart schmelzenden, blütenweißen „Neusetzer“ steht offen. Und seit knapp einem Jahr ist auch die neue transparente Kellerei bereit, entdeckt zu werden.

Sie funktioniert gänzlich energieautarkt und erstreckt sich auf einer Gesamtfläche von 3400 Quadratmetern. Wer Lust hat, jeden einzelnen Produktionsschritt des Weins im Kellernachzuverfolgen – von der optischen Traubensortieranlage bis zu den neun Pressen und den mächtigen Stahltanks –, bekommt einen Schlüssel in die Hand, auf Wunsch auch einen Guide zur Seite. „Wir wollen uns nicht verschließen“, sagt Stefan Krispel.

 

Zum Weingut

Das Genussgut Krispel in Neusetz/Straden im Vulkanland zählt zu den Topbetrieben des Landes und gehört der Vereinigung der Eruptionswinzer an. Seit vier Jahren arbeitet man biologisch. Die Weine von Winzer Stefan Krispel fahren laufend Preise ein, unter anderem gab es zwei Master-Medaillen beim Global Spring Tasting 2023. Mehr zum Genussgut: krispel.at

 

Von Birgit Pichler