Der Sonntag mit Linde

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Beschreibung

Der Sonntag mit Linde – Neue Streifzüge im Irgendwo

Von freundlichen Narren in Goa, grantigen Kellnern in Wien, einem schwedischen Bootsabenteurer auf den Malediven. Vom Reichtum der Serengeti und Keralas; den Läuterungen, die Niki Lauda begleiteten; warum man Fußball lieben muss, ohne ihn besonders zu mögen; wie Mick Jagger nach kurzer Drogenkarriere zum superfitten Großvater wurde. Und Sie erfahren etwas über die Oststeiermark, die Heimat des Autors, und wie sich erster Sex dort anfühlte.

Nach „Dank an die Grille“ das zweite Buch mit Reportagen und Essays des mehrfach preisgekrönten Journalisten Frido Hütter.

Autor: Frido Hütter
Seiten: 160 Seiten

Leseprobe „Der Sonntag mit Linde“

Das Brot der Trostbedürftigen

Es gibt Erinnerungen von Zunge und Gaumen, die ein Leben lang bestehen bleiben.

Ich gestehe, erst einmal aus einer Dose Red Bull getrunken zu haben. Doch beinahe wäre ich Stammkunde geworden. Und das ging so: In den halbwegs seligen Tagen meiner Kindheit gab es Brausewürfel, die Clio hießen. Sie kamen im Doppelpack, der bunte Würfel enthielt die Geschmacksnote, der weiße den Kohlensäuretreibsatz. Es schmeckte himmlisch.

Nun war da dieses neue Getränk, das laut Werbung Flügel verlieh, die zumindest mich sechzig Lebensjahre zurücktrugen. In eine Zeit, in der das Angebot an Genussmitteln noch sehr übersichtlich und ihr Erwerb für Kinder mit gewissen Anstrengungen (brav sein oder so) verbunden war. Und nun war dieser Gaumenkitzel zurück und für mich (ganz ohne brav sein) an jeder Tankstelle zu haben.

Doch dann setzte das Rechnungswesen in meinem Kopf ein. 50 Groschen, wohlwollend umgerechnet vier Cent, hatte eine Portion Clio gekostet, die Dose Red Bull hatte ich um 2,20 Euro erstanden. Das bedeutet eine 55-fache Preissteigerung. Daraus erwuchsen mir zwei Erkenntnisse: erstens, warum der geniale Dietrich Mateschitz so sagenhaft reich geworden ist. Und zweitens, dass Nostalgiegebühr manchmal zu hoch ausfallen kann.

Vermutlich hängt man auf immer an den ersten Gaumenfreuden seines Lebens. Das erklärt auch, warum die Facebook-Fangemeinde zur Rettung der vom Aussterben bedrohten Niemetz-Schwedenbomben am Höhepunkt von deren Krise innerhalb weniger Tage auf fast 30.000 Mitglieder angewachsen war. Sie verteidigten, möglicherweise auch unbewusst, ein Stück Kindheit. Eine Zeit, in der die Sommer endlos schienen und in der man noch auf Gewissheiten zählen konnte. Die sogenannte „gustatorische Wahrnehmung“ ist das geschmeckte Echo dieser Zeit.

In direkter Verbindung dazu steht auch die Konsistenz der Naschwerke und Leckerbissen. Folgen Sie mir auf eine sentimentale Tour zu den Köstlichkeiten der Kindheit, ohne Rücksicht auf Karies und Nährwert.

Das Kirstein Blockmalz, längst verwichen, war eine zweischneidige Sache. Es schmeckte zwar nicht übel, hatte aber irgendwie ein biederes Bibelstunden-Image und war noch wegen seines Formats ein Geröllbrocken im Kindermund.

Den Manja-Riegel, kurzfristig gemeinsam mit der Schwedenbombe in Lebensgefahr, mochte ich zu allen Zeiten nicht. Für mich schmeckte er wie süßes Schmalz. Dann schon eher „Negerbrot“ (ja, so hieß es damals nun einmal), eine feste Milchschokolade, in die reichlich Erdnüsse eingegossen waren.

Es gab auch Produkte, die wir ob ihrer Darreichungsform mochten: das PEZ-Zuckerl aus den Einzelspendern, die alsbald diverse Disney-Figuren zierten und so zu echten Sammlerstücken wurden. Eduard Haas, der sie 1949 erfand, wollte damit eigentlich eine Alternative zur Zigarette schaffen. Hat leider bei mir nicht gewirkt.

Ja, und die Bensdorp-Schokos in blauen und grünen Schleifen. Ohne oder mit Nuss. Ein Schilling die schmale Version, zwei der etwas massivere, wandertagstaugliche Block. Die Schleifen sammelten wir eifrig zwecks Erwerb 20 21 einer Gratistafel, das Stanniol für Afrika zu einem mir nicht mehr erinnerlichen Zweck.

Für die noch sehr Kleinen war das Firnbonbon eine gewisse Herausforderung: Erst nach Überwindung der scharfen Mentholhülle gelangte man an den schmeichelweichen Schokokern.

Als quasi All-Age-Naschwerk darf die Mannerschnitte durchgehen, die real existierende Legende aus Wien. Ihre dichte Verpackung garantierte schon damals das einzigartige Knistern beim Zubeißen; der listige Einsatz von Vanillearomen hat Suchtpotenzial. Für mich ist und bleibt die Mannerschnitte das Brot der Trostbedürftigen.

Ganz anders die Haribo-Gummibären: Ihre elastische Konsistenz bietet Kindergebissen spielerischen Widerstand. Lange bevor Thomas Gottschalk sich mit ihnen eine goldene Nase verdiente, brachten wir sie fröhlich schmatzend um Kopf und Kragen.

Von zäherem Kaliber waren die Manner-Stollwercks, einst so populär, dass sie bei Kleinstbeträgen als Wechselgeld (zehn Groschen) dienten. Gerieten sie in eine Zahnlücke, war diese stundenlang und meist schmerzhaft plombiert.

Wild war das Getümmel auf dem Limonadensektor: Marken wie Chabesade, Libella, Bluna etc. kamen und gingen. Frucade wurde im ORF durch Hermes Phettberg zu neuem Chic reanimiert. Geradezu heroisch hat sich Almdudler gehalten, seit je mein persönlicher Favorit. Bis heute hilft er mir über den Umstand hinweg, dass es keine Clio-Brause mehr gibt.